Von Darmkrebs zu beruflicher Erfüllung: Franks Geschichte

Interview
Fragst du dich, wie der Alltag während einer Chemotherapie aussehen kann und welche Symptome hierbei auftreten können? Oder möchtest du einen grundsätzlichen Einblick bekommen, wie der Genesungsprozess bei einer Krebserkrankung aussehen kann? In diesem Interview spricht Frank Weber über den Zeitpunkt, als er seine Krebsdiagnose erhielt, bis hin zu den Veränderungen, die ihn noch heute – ca. 12 Jahre später – begleiten.

Lieber Frank, wer bist du und wie hast du von deiner Diagnose erfahren?

Ich bin Frank Weber. Ich bin 1964 in Düsseldorf geboren. Ich wohne in Neuss, bin ursprünglich Diplom-Betriebswirt und habe 2011 – eigentlich aus dem Nichts heraus – die Krebsdiagnose bekommen. Das war ein reiner Zufallsbefund aufgrund einer Krebsvorsorgeuntersuchung. Ja, das war jetzt tatsächlich unwirklich zu dem Zeitpunkt. Ich wollte gerade in den Urlaub fahren und ich habe kurz vorher noch die Vorsorge gemacht und ja, das brach quasi so über mich herein damals. Allerdings hatte ich auch überhaupt keine Zeit zum Nachdenken, weil halt festgestellt wurde, dass der Krebs schon weit fortgeschritten ist, größtes Tumor-Stadium – muss sofort operiert werden. Und da blieb halt nur: Urlaub absagen und auf den Operationstisch.

Hattest du vor deiner Vorsorgeuntersuchung Beschwerden, die auf eine Krebserkrankung hingedeutet haben?

Also, bis dato, nein, hatte ich gar keine Beschwerden. Das war eigentlich das Skurrile an der ganzen Geschichte. Wir hatten damals erstmals Krebsfälle im Freundeskreis und ich habe mich alle zwei Jahre regelmäßig durchchecken lassen, weil ich Sportler war. Und in dem Jahr habe ich dann erstmals gefragt: „Was muss ich eigentlich noch krebsmäßig als Vorsorge machen?” Damals war ich 47 und hatte noch nie eine Krebsvorsorge gemacht.

Als du dann operiert worden bist – ist danach noch irgendwas passiert? Gab es noch einen weiteren Schritt im Genesungsprozess?

Also, nach der Operation musste auch eine Chemotherapie erfolgen. Beziehungsweise die wurde mir angeraten, weil damals die Lymphknoten halt auch schon entsprechend befallen waren. Und ich glaube, ich bin im Mai operiert worden und wir haben dann auch schon recht frühzeitig im Juli bzw. August angefangen mit der Chemotherapie. Also, die Zeit jetzt nach der Operation, als ich dann in die Chemotherapie gegangen bin – ich glaube, das war für die Familie fast noch herausfordernder als die OP vorher, weil mit der OP ging das alles relativ schnell und ich war auch relativ zügig wieder auf dem Beinen. Bei der Chemotherapie, da war es allerdings so: Ich hatte alle Nebenwirkungen, die man irgendwie haben kann. Ich war zu dem damaligen Zeitpunkt auch extrem fit. Und meine Onkologin sagte: „Ein fitter Körper, der wehrt sich halt mit allem, was er hat." Und das war dann für die Familie tatsächlich auch eine große Belastung.
Ich hab die Chemotherapie ambulant gemacht. Das heißt, ich bin zu den einzelnen Zyklen dann in die Praxis gegangen. Ich hatte einen Port bekommen, über den dann das Medikament über 24 Stunden, glaub ich, damals durch den Körper lief. Das habe ich dann mit nach Hause genommen.

Wie hat sich die Chemotherapie auf deinen Alltag ausgewirkt?

Also man hat einfach, ich sage mal, man hat damit gelebt – oder ich habe damit gelebt, war relativ unabhängig damit. Das einzige Problem waren die Nebenwirkungen, die stark auftraten und die einen dann halt im normalen Alltag eben schon entsprechend beeinträchtigt haben. Das fing mit Durchfällen an, die zum Ende hin wirklich extrem ausfielen. Ich kann mich an Nächte erinnern, wo ich tatsächlich auf Toilette gesessen habe und so schwach war, dass ich quasi nicht mehr runterkam und Sorge gehabt habe, ob ich jetzt hier irgendwie mit dem Krankenwagen abgeholt werden muss, weil es einfach nicht aufhörte. Und tatsächlich habe ich da Opium bekommen, als unterstützende Maßnahme, was dann tatsächlich dazu geführt hat, dass das auch in dieser Stärke aufhörte. Weitere Nebenwirkungen waren Polyneuropathien: Ich konnte mit den Fingern nicht mehr vernünftig schreiben. Ich konnte mir selbst nicht die Fingernägel schneiden. All solche Sachen sind aufgetreten. Das Kälte-Missempfinden in den Fingern und Füßen im Winter war besonders extrem. Und was ich auch bekommen habe, war ein Pilz in der Speiseröhre. Auch das war, ja, angenehm ist das alles eben nicht, aber ich habe Schluckauf bekommen, der nicht aufhörte. Dieses Brennen, Sodbrennen in der Kehle.
Also das waren Sachen und die kamen halt dann auch immer irgendwie geballt zusammen. Ja, wie es also war, dass jetzt der normale Alltag nicht mehr so funktionierte, wie ich das empfunden habe? Das habe ich eigentlich gar nicht so empfunden. Sondern das war für mich Alltag. Ich bin damit umgegangen. Also klar, am Anfang war es dann immer so: Diese Sachen, die jetzt unangenehm waren, ob es in der Speiseröhre war oder ob es die Durchfälle waren. Aber man hat halt auch immer Hilfsmittel oder andere Medikamente wiederum gefunden, die dagegen geholfen haben. Und das war für mich irgendwie dann normal. Ich habe es zwar in dem Moment als schlimm empfunden, auf der anderen Seite war ich mir ja auch sicher, dass das hilft. Und das war dann etwas, was mich auch durch die Zeit halt durchgebracht hat.

Wie lange hat das gedauert, bis du genesen warst?

Also das war so: Ich bin im Mai operiert worden. Ich habe die Chemotherapie dann im Sommer, Juli bzw. August angefangen. Die sollte eigentlich bis Ende Januar gehen. Wir haben aber vorher abgebrochen, weil ich zum Schluss – das war noch eine Nebenwirkung – ich bin zum Schluss keine Treppe mehr hochgekommen. Es ist mir aufs Herz-Kreislauf-System geschlagen und ich hatte damals auch extreme Angst, weil ich halt sportlich war und da hatte ich Angst, dass ich meinen Sport nicht mehr machen kann. Und ab Ende Januar bin ich dann aber für zwei Wochen nach Norderney gefahren, um mich da einfach mal grundsätzlich so zwei Wochen zu erholen. Und von da an ging es eigentlich relativ schnell, dass ich mich wieder normal gefühlt habe. Also es dauerte halt eine Weile, bis man angefangen hat. Über Spazieren gehen, über Walken, dass man wieder ein bisschen Sport treiben konnte. Und es war dann allerdings so, dass das Mitte des Jahres – ich mich selbst nicht wirklich trainieren konnte. Das habe ich gemerkt. Ich saß auf dem Sofa und habe gedacht: „Oh, du musst jetzt was tun, du musst wieder fit werden". Und hab's aber nicht hinbekommen: „Morgen, machst du morgen".
Und dann hab ich über eine Bekannte aber Kontakt zu einer Personal Trainerin aufgenommen und die hat mich dann tatsächlich in – ich weiß gar nicht, wie lang wir zusammen trainiert haben, aber das war jetzt auch nicht länger wie, glaube ich, drei Monate intensiv – hat die mich wieder fit gemacht, sodass ich sagen kann: Ende Januar bis Mitte des Jahres, da habe ich mich wieder fit gefühlt. Im September, Oktober hab ich auch tatsächlich wieder richtig sportliche Aktivitäten aufgenommen. Ja und danach ging es eigentlich stetig weiter. Und dann sagt man letztendlich fünf Jahre nach der OP, nach der Chemo: Wenn dann nichts zurückkommt, dann ist man letztendlich irgendwo geheilt.

Inwieweit hat sich deine Erkrankung auf dein restliches Leben ausgewirkt?

Ich weiß gar nicht. So eine ganz große Auswirkung auf mein Leben hatte es eigentlich nur in der Hinsicht, dass ich nicht mehr in meinem alten Job arbeiten wollte. Also, ich war Betriebswirt und Controller und ich war auch quasi ein Jahr raus mit Operationen, Chemotherapie und dann wurde ich wieder eingegliedert. Und ich werde nie vergessen, dass ich wieder angefangen habe – und eigentlich schon zu Hause habe ich gemerkt, dir hat jetzt der Job eigentlich gar nicht gefehlt in dem Sinne, sondern du fandest jetzt diese Auszeit, die quasi erzwungene Auszeit, gar nicht so verkehrt.
Und ich habe dann, als ich wieder angefangen habe, da habe ich mir drei neue Anzüge gekauft, da hab ich gedacht: „Komm, du musst jetzt noch mal neu hier durchstarten, irgendwie." Hatte so eine leichte Typveränderung gehabt, hatte dann den Dreitagebart, den ich auch jetzt noch trage, vorher war ich immer glatt rasiert und so. Und dann, das werde ich nicht vergessen: Ich bin den ersten Tag wieder ins Büro gegangen, habe meinen Laptop hochgeklappt und habe da angefangen zu arbeiten und habe gedacht: „Was mache ich hier? Ich fülle hier Excel-Tabellen aus. Was ein Unsinn." Also, ich habe mich da wahnsinnig schwergetan, wieder in mein altes Arbeitsleben hineinzukommen. Privat war das gar nicht so das Problem, das war alles gut. Aber ich bin nicht mehr in mein Arbeitsleben reingekommen. Tatsächlich hab ich mir erst psychologische Hilfe gesucht. Ich habe gedacht: Irgendwas hat das jetzt mit mir gemacht. Und da musst du jetzt mal mit einem Psychologen drüber sprechen. Vielleicht kann man das wieder in „normale Bahnen" lenken. Und das war eine gute Zeit. Also, ich hab vorher überhaupt noch gar keine Erfahrung mit Psychologen gehabt und es war eine interessante Zeit, wo ich hingegangen bin und drüber gesprochen habe, aber das hat mein Problem beim Arbeiten nicht gelöst.
Und letztendlich wurde es für mich gelöst, weil es ging der Firma wirtschaftlich schlecht – war ein großes Unternehmen. Dann hat aber tatsächlich der Vorstand ein paar wirtschaftskriminelle Sachen gemacht, die sich nicht gehören. Und wir waren ein börsennotiertes Unternehmen, das ging sofort in den Keller und dann mussten in dem ersten Schritt 1.000 Leute entlassen werden von 4.500. Und man hat mir einen Aufhebungsvertrag unter die Nase gehalten. Etwas, was ich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe, weil ich immer gedacht habe: „Oh, ich sitze hier letztendlich sicher. Ich arbeite schon so lange hier in dem Laden. Außerdem bin ich 100 % schwerbehindert nach der Krebserkrankung. Da kann dir ja gar nichts passieren." Aber in dem Moment, wo man mir dann den Aufhebungsvertrag unter die Nase gehalten hat, da wollte ich da auch nicht mehr arbeiten, definitiv nicht mehr. Das war dann so und den habe ich dann angenommen und habe mir gedacht: „So, jetzt gehst du hier raus mit einer Abfindung. Da kannst du dich auf jeden Fall eine Zeit lang über Wasser halten und dann wird dir was Neues einfallen oder was du überhaupt beruflich machen kannst."

Und wie kommt es jetzt dazu, dass du Moderator und Sprecher geworden bist?

Nachdem ich den Aufhebungsvertrag bei meinem alten Arbeitgeber unterschrieben habe, habe ich ein Personal Coaching mitgemacht. Wir hatten auch anwaltliche Betreuung damals und die Anwältin hatte mir jemanden empfohlen. Und da habe ich so ein Erstgespräch gemacht und dann habe ich schon gemerkt, das ist ganz interessant. So ein Coach, der holt Sachen aus dir raus oder stellt dir immer Fragen und so was. Und das fand ich sehr gut. Dann habe ich mich mit der Thematik ein bisschen näher beschäftigt und habe dann auch verschiedene Coaches ausprobiert. Weil ich gemerkt habe, so ganz stimmte hier die Chemie nicht. Und ich habe mir Coaches angeguckt, da war jemand bei, ich ging zum Erstgespräch, dann hatte der schon eine Präsentation über mich fertig. Total professionell empfand ich das. Dann war ich bei einem Coach, ich sage mal, da saß ich auf einer Wiese und habe einen Baum umarmt. Das war das krasse Gegenteil. Dann hatte ich einen Coach, das war so ein Mutti-Typ, der hat mir auch nicht zugesagt. Und dann bin ich über eine Bekannte wieder aus dem Sportbereich an eine Coachin gekommen, die früher auch Leistungssport gemacht hat. Und da waren wir so auf einer Wellenlänge. Und das waren total tolle Gespräche, die mich weitergebracht haben bei der Entscheidungsfindung.
Also ich wusste danach, ich will nicht mehr im Büro arbeiten. Ich wusste danach, ich möchte eigentlich selbstständig arbeiten. Es kamen in dem Coaching-Prozess interessante Sachen raus, wie dass ich immer Geburtstage, Hochzeiten, das habe ich immer moderiert, da habe ich durchs Programm geführt, irgendwelche Spiele und so was. Ich war bei mir im Sportverein, da war ich Pressesprecher. Wenn der WDR kam, dann habe ich das Interview mit denen gemacht. Ich kann unfallfrei in Mikrofone sprechen. Es gibt keine schlechten Fotos von mir. So Sachen kamen dabei raus.

Und dann hast du sozusagen dein verstecktes Talent zu deiner Berufung gemacht?

Ja, kann man so sagen, ich hab mein verstecktes Talent entdeckt und das waren dann auch noch so ein paar Irrungen und Wirrungen, bis ich tatsächlich vor der Kamera gelandet bin. Aber interessant ist eben auch, wenn man sich auf einmal für was öffnet, wo man vorher überhaupt nicht dran gedacht hat, dann kommen auf einmal ganz viele neue Eindrücke auf einen zu und das bringt einen dann immer ein Stückchen weiter.

Würdest du anderen empfehlen, ein Coaching zu machen?

Definitiv. Das würde ich jedem empfehlen. Und das Interessante ist eben: Der Coach, der stellt einem Fragen – also so habe ich es empfunden – der stellt einem Fragen, die habe ich mir auch immer schon gestellt. Ich habe sie mir nur nicht beantwortet. Aber dem Coach musste ich sie beantworten und das hat mich dann Stück für Stück weitergebracht. Also ich glaube schon, man muss bei der Auswahl, da sollte man nicht den Erstbesten nehmen, weil ich glaube, es muss die Chemie schon stimmen, dass man sich auch wirklich öffnen kann. Und dann ist das, glaube ich, eine Sache, die einen unheimlich bereichert.

Wie geht es dir heute gesundheitlich, psychisch und familiär?

Also gesundheitlich: Der Krebs ist nicht wiedergekommen. Das ist nach zwölf Jahren, glaube ich, ein ziemlich gutes Zeichen. Die meisten Nebenwirkungen der Chemotherapie sind auch nicht mehr da. Allerdings habe ich eine behalten: Das ist eine Polyneuropathie, die ich anfänglich stark in den Händen und Füßen hatte, die habe ich jetzt noch in den Füßen. Das behindert einen ein klein wenig, aber man kann damit leben. Ich mache mir ein klein bisschen Sorge, wie es wird, wenn man jetzt 10, 20 Jahre weiter ist, ob es einen dann vielleicht extrem stark doch noch mal beschäftigt. Aber ansonsten würde ich sagen, geht es mir gesundheitlich sehr gut. Familiär, seit ich quasi beruflich etwas Neues mache, was mich erfüllt, ja, bin ich, glaube ich, auch ein viel ausgeglichenerer Mensch geworden, dass es sich jetzt auch familiär entsprechend positiv entwickelt hat. Und psychisch? Ja, also ich mache jetzt wirklich etwas, was mir wahnsinnigen Spaß macht. Das bereichert mich. Jedes Mal, wenn ich irgendwann im Set bin oder so. Du hast halt jedes Mal neue Menschen, mit denen du zusammenkommst. Ich mache immer interessante Erfahrungen. Ich freue mich jedes Mal darauf, etwas Neues zu machen und deswegen kann ich wirklich auch jedem immer nur raten: Man muss beruflich auch wirklich etwas machen, was einem Spaß macht, sonst frisst man vielleicht auch was in sich hinein.

Was würdest du zum Schluss gerne anderen noch mitgeben, die gerade vielleicht selber eine Person mit Krebserkrankungen in der Familie oder ihre eigene Diagnose bekommen haben?

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, damit proaktiv auf Leute zuzugehen. Ich habe gemerkt, dass im Freundes-, auch Verwandtenkreis, Sorge besteht, wie man mit dem Betroffenen umgeht. Und wenn man von selbst aus über die Erkrankung spricht und das auch klarmacht, auch wie es einem geht und sowas, da hilft man den Leuten im Umfeld, damit umzugehen, weil sonst ist da wirklich ein großes Hemmnis. Das habe ich am Anfang gemerkt. Da waren Hemmungen, wie man mit mir umgeht, dass man nicht unangenehme Sachen irgendwie anspricht oder so. Und da kann ich nur raten: Nehmt den Leuten da den Wind aus den Segeln, indem ihr einfach proaktiv von eurer Erkrankung auch erzählt.

Das waren ein paar spannende Einblicke in Franks Erfahrung mit seiner Krebserkrankung und wie sie sein Leben beeinflusst hat. Wenn du dir über dieses Gespräch hinaus weitere Unterstützung wünschst und Fragen hast, kontaktiere gerne die hier hinterlegten Ansprechpersonen oder informiere dich weitergehend zum Thema Krebsvorsorge. Bleib gesund und pass auf dich auf!
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
Kassel

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