Von Burnout, Stress & gesunder Führung

Interview
Das Thema Stress am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Denn immer mehr Menschen leiden nicht nur unter einer konstanten Dauerbelastung, sondern werden auch zunehmend ersthaft krank. Besonders präsent ist hier vor allem das Burnout-Syndrom (kurz: Burnout) welches ein Ausgebrannt-Sein aufgrund von lang andauerndem beruflichem Stress und dauerhafter Überforderung ist. Doch wie zeigt sich ein Burnout und was können Führungskräfte tun, um eine solche Erkrankung bei ihren Mitarbeitenden und sich selbst vorzubeugen? Um diese und weitere Fragen dreht sich das folgende Interview mit dem ehemaligen Manager und Vorstandsmitglied Ulf Kepper, für den sich das Leben sowie sein Beruf nach seinem Burnout gänzlich veränderte.

Warum findest du, dass dem Thema Burnout am Arbeitsplatz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte?

Also, ich denke schon, dass für viele Führungskräfte und Unternehmensleiter:innen sehr offensichtlich wird, dass da ein Thema am ticken ist und die Krankheitsraten in vielen Unternehmen steigen. In meinem Unternehmen war das so - ständig steigende Krankheitsraten. Du weißt dann ja auch nicht unbedingt was das ist, das wird und muss ja nicht kommuniziert werden, warum Leute wegbleiben. Trotzdem wissen es die Krankenkassen und die berichten ja regelmäßig darüber, dass die psychischen Erkrankungen mittlerweile den ersten Platz in der Hitliste der Langzeiterkrankungen eingenommen haben. Da ist schon systematisch etwas nicht in Ordnung, was auch viele Unternehmensführer:innen wahrnehmen und auch durchaus angehen - viele Unternehmen aber auch überhaupt nicht. Also, in ganz vielen Unternehmen wird nach wie vor die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden - für die wir als Führungskräfte ja verantwortlich sind - sehr oft mit der körperlichen Gesundheit gleichgesetzt. Ganz viel sehe ich - wie damals auch in unserem Unternehmen - den Fokus auf Sicherheit. Gerade in Produktionsunternehmen wird ganz viel auf die Sicherheit von Mitarbeitenden geachtet, dass sie ihre Prozesse einhalten und ja nichts schief geht. Aber, dass sich Unternehmen auch um die psychische Gesundheit kümmern müssen, die ja genauso in der Verpflichtung steht und ebenfalls gesetzlich verankert ist, wird nach wie vor unterschätzt. Vielleicht liegt es daran, dass die Leute nicht wissen, wie sie an ein solches Thema herangehen sollen. Aber es ist eindeutig nicht ganz oben auf der Liste.

Viele Betroffene machen ihre Erfahrungen nicht öffentlich. Wieso hast du dich dazu entschlossen, dich als Person so hinter dieses Thema zu stellen?

Gut, das darf man jetzt nicht verwechseln - ich bin ja nicht mehr im Unternehmen. Ich habe ja - das war 2011, als ich meinen Burnout hatte - danach noch 7 Jahre weiter in dem Job gearbeitet. Damals bin ich nicht in die Welt rausgegangen und habe überall erzählt, dass ich einen Burnout hatte. Das habe ich erst jetzt in der Öffentlichkeit getan, als ich 2018 mit meinen Job aufgehört habe und diese neue Aufgabe, als Coach und als Sparrings-Partner (externe Person, die beim zielorientierten Erreichen eines Soll-Zustands unterstützt) für Führungskräfte, angegangen bin. Damit ist es natürlich Teil meiner neuen Rolle, diese Dinge zu tun und selbst das ist nicht ganz leicht, da komme ich gleich nochmal drauf. Aber ich glaube, dass ich 2012 - als ich nach dem Burnout wieder zurückkam - auch schon sehr offen über dieses Thema geredet habe. Mir war damals, als ich 2012 von meiner 5-monatigen Auszeit zurückkam, sehr bewusst, dass im Unternehmen eigentlich alle wissen, was da passiert war. Und in diesem Bewusstsein hatte ich auch da nichts zu verstecken und das habe ich auch nicht getan. Ich habe schon sehr, sehr offen mit allen geredet, mit denen ich Gespräche geführt habe - und ich habe sehr viele Gespräche geführt (lacht). Ich sage immer ganz gerne: Die Schlange vor meinem Büro war, als ich zurück kam, unendlich lang. Wirklich ganz viele Leute wollten mit mir reden, aus gutem Grund. Nicht nur um zu wissen, wie es mir geht, sie wollten vor allem wissen, wie es ihnen selbst geht. Insofern habe ich da auch die Plattform gehabt, zu dem Zeitpunkt das Thema offen zu besprechen, weil ich wusste, dass die Anderen es wussten und ich damit eben diese Tür aufmachen konnte. Was übrigens ganz viel in der Beziehung zu meinen Mitarbeitenden und meinen Kolleg:innen verändert hat, weil dieses ‘Tür aufmachen’ - dieses Vertrauen was da entsteht - ganz viel Wert hatte. Also ja, ich habe damals schon relativ offen über das Thema geredet und ich war damals auch ein bisschen auf einer Mission, als ich zurück kam. Ich habe mit der Personalabteilung Gespräche angefangen: „Was können wir denn tun? Was können wir verbessern?” Und musste dann sehr schnell lernen, dass die Unternehmung gar nicht so bereit ist, da wirklich einzusteigen. Das ist sehr frustrierend gewesen. Ich musste auch lernen, dass ich einen gewissen Filter darüber legen muss, dass es jetzt nicht meine Aufgabe war, als Therapeut durch die Firma zu rennen. Und das kann ich auch nur jeder Führungskraft empfehlen, die vielleicht eine ähnliche Erfahrung mit so einer Krise sammeln durfte, wie ich heute. Wir sind keine Therapeuten, wir dürfen es nicht sein und wir sollen es auch nicht sein. Das können wir nicht. Aber unsere Aufgabe ist schon, dass wir auf Leute zugehen können, die so ein Thema mit sich herumschleifen. Später in 2018, als ich meine Unternehmensrolle aufgegeben habe, war das natürlich dann Teil meiner neuen Aufgabe, über das Thema zu reden. Aber auch da war das nicht wirklich trivial, über LinkedIn oder Xing ganz offen darzustellen und unseren Podcast zu veröffentlichen, wo dieses Thema präsent war - in dem Netzwerk, in dem ich bisher nur geschäftlich unterwegs war. Da war so ein kleiner Stich schon da: Ist das wirklich richtig? Aber das war dann relativ einfach, ja.

Hattest du Angst, stigmatisiert zu werden?

Ich denke, das war eher so ein Ding in der Phase als ich zu Hause war. Also, dieses Bewusstsein, dass jetzt alle wissen was mit mir los ist. Dieser Schlag, der hat mich zu Hause erwischt. Ich weiß noch genau, dass ich mal eine E-Mail - ich habe da ganz wenige E-Mails angesehen - von einer Mitarbeiterin bekommen habe, die eben in dem Satz wie sie es sagte ganz klar rausließ, dass sie genau wusste was ich hatte. Also sie sagte: „Jaja, habe ich auch schon gehabt.” In dem Moment hat es mich wirklich wie ein Hammer erwischt: „Mist, die wissen das alle.” Obwohl mir das ja kopfseitig klar war, aber das hatte nochmal so eine andere Dimension, also dieses Gefühl die Anderen wissen das. Das hat es insofern verändert, dass das Zurückkommen dann total einfach war, viel einfacher als ich dachte. Insofern musste ich mir nicht so sehr einen Kopf darüber machen, wie jetzt die Anderen über mich denken, weil ich ja ‘so eine Schwäche habe’. Das war gar nicht der Fall. So eine Stigmatisierung habe ich auch nie erfahren, jedenfalls nicht öffentlich. Du weißt ja nie, was Leute dann hintenrum reden und das ist auch okay so. Ich habe ganz selten erlebt, dass ich damit konfrontiert wurde, so nach dem Motto: „Was bist du denn für ein Weichei?” Das war ja sogar so, dass ich nach dem Burnout, als ich zurückkam, sogar noch in den Vorstand befördert wurde. Das Unternehmen selbst hat mir das nicht ‘übel’ genommen, es wurde vielleicht sogar als eine Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit wahrgenommen, sicherlich nicht für jede:n. Ich will es jetzt nicht zu positiv darstellen, ich will jetzt nicht sagen, dass jede:r der bzw. die einen Burnout hat, sich das als Plakette vor sich im Unternehmen hertragen und sagen soll: „Ich bin eine Stufe weiter als ihr alle.” Was ich tatsächlich glaube was der Fall ist, aber das ist in so einer Unternehmenskultur natürlich nicht immer opportun. Aber ich habe gleichzeitig die Erfahrung nicht machen müssen, dass - dafür, dass ich das Vertrauen entgegen gebracht habe, über das Thema zu reden - das irgendwie negativ auf mich zurückgekommen ist. Insofern glaube ich, wenn ihr in so einer Situation seid, müsst ihr selbst erspüren, ob das Vertrauen im Unternehmen da ist und mit wem du über so ein Thema sprechen kannst. Ich habe z.B. gemerkt, dass wenn jemand mit mir reden wollte oder wir einfach zusammengesessen haben und ich gesagt habe „Ja, ich habe 5 Monate eine Auszeit gehabt”, dann haben manche Leute eben sofort drauf reagiert und gesagt „Ja, ich auch” oder “Ja, ich kenne auch jemanden … ”, also sie haben die Tür dann weiter aufgemacht, die ich geöffnet habe. Andere wiederum haben einfach darauf reagiert mit „Jaja, interessant.“ Also, du kriegst glaube ich schon so ein Gefühl dafür, wer mit dir da einsteigen will und wer das Thema gar nicht berühren möchte. Und, dass jemand mal 5 Monate zu Hause war, kannst du, wenn du es gar nicht hören willst, auch abbuchen unter „Naja, was auch immer, ist mir auch egal.” Wenn du so ein Thema hast - das ist tatsächlich meine Empfehlung - solltest du es einfach versuchen. Vielleicht nicht bei jeder Person - ich habe auch Leute gehabt, denen ich das nicht unbedingt erzählen wollte, weil ich wusste, da merke ich, das mache ich jetzt nicht. Aber in der Regel war das wirklich eine gute Sache.

Wie lauten die häufigsten Falschinformationen, die gerade zum Thema Burnout kursieren?

Ich weiß jetzt gar nicht so sehr, ob da so viele eindeutige Falschinformationen sind. Natürlich die Stigmatisierung an sich, also z.B. wenn du in so eine Krise stürzt, dann bist du zu schwach. Aber ich kann das gar nicht so weit von mir weisen, weil ich das durchaus auch bei mir früher gedacht hätte. Also, jemand der in so etwas reinfällt, dass die Person das einfach nicht gepackt hat. Dann ist das einfach nicht das richtige Material für Manager:innen - also solche Gedanken sind mir schon bekannt und die liegen auch bei vielen Leuten so vor. Eine ganz wichtige Geschichte, die ich aus dieser Phase gelernt habe ist: Urteile nicht über andere. Denn du weißt nie, was da läuft und du weißt auch nicht, wie es dir mal geht. Also tue ich mich heute sehr viel leichter damit, wenn Leute irgendwas über Probleme berichten, dass es ihnen nicht gut geht oder, dass sie etwas nicht können, das auch hinzunehmen und zu sagen: „Ja, das ist so und das ist auch okay so.” Das über andere urteilen, das können wir ja alle sehr gut. Und ich kann nur empfehlen, sich nicht über andere so zu erheben wie ich es vielleicht damals auch ein bisschen getan habe. Denn du weißt nie, wie es dir mal geht. Für mich kam dieser Burnout damals komplett überraschend, das kann ich nur sagen. Und ich hätte niemals erwartet, dass mich sowas erwischt und so kann es anderen auch gehen. Dann sitzt ihr auf einmal auf der anderen Seite. Ne, ich glaube dieses Thema kann jede:n erwischen. Gerade auch die, von denen wir vielleicht glauben, sie wären dagegen gewappnet, weil sie so kontrolliert, so im Kopf und sehr bewusst sind - genau die Leute erwischt es ja am ehesten (lacht). Es sind ja gar nicht so sehr die Leute, die so bei sich sind und sich sehr genau spüren - das sind ja genau die Leute die es nicht erwischt, weil sie eben bei sich sind. Insofern glaube ich, das ist eine wichtige Botschaft für alle Führungskräfte, auch zu akzeptieren, dass diese Dinge da sind und dass sie auch jedem bzw. jeder passieren können.

Würdest du sagen, dass dieses Mindset besonders für Führungskräfte eine entscheidende Kompetenz ist?

Ja, ich bin sowieso davon überzeugt, dass eine gute Führungskraft dadurch beschränkt ist, was die Persönlichkeit ihnen erlaubt. Wer sehr in sich ruht, wer sich, seine Stärken und seine Schwächen sehr gut kennt und diese damit auch akzeptieren kann, der bzw. die kann eine sehr gute Führungskraft sein. Deswegen würde ich auch sagen, dass mir der Burnout - was dieses Thema angeht - sehr geholfen hat. Denn dadurch konnte ich ein paar von meinen Verhaltensweisen aufgeben, die für mich damals vor dem Burnout sehr wichtig waren. Gerade an die Micromanager:innen hier gerichtet, die Perfektionist:innen, oder die Leute, die glauben ohne sie geht nix, das sind genau wir, die in solche Gefahren laufen können. Und ich glaube dadurch dass ich in der Phase ein paar Dinge lernen durfte, ist es für mich leichter geworden auch eine gute, bessere Führungskraft zu werden. Insofern stimmt das schon was du sagst: Die Persönlichkeit setzt uns die Grenzen als Führungskraft. Und je mehr ich mich hiermit und mit meinen eigenen Themen beschäftige, desto besser kann ich als Führungskraft agieren.

Was sind typische Fehler, die Führungskräfte machen und Warnzeichen, die sie bei ihren Mitarbeitenden übersehen?

Ich glaube, der erste große Punkt, den wir als Führungskräfte erreichen müssen, ist, dass wir in der Lage sind, uns für den Menschen auf der anderen Seite zu interessieren. Und damit meine ich sich dafür zu interessieren, was diesen Menschen motivieren kann, was ihn demotiviert, was er braucht und was er (nicht) kann. Aber das allein ist ja schon eine große Hürde für viele Menschen, denn sobald sie anfangen sich für den Menschen zu interessieren, müssen sie sich für sich selbst als Mensch interessieren - und das können ja viele schon gar nicht. Insofern ist das, glaube ich, eine der großen Schwächen in unserem System, dass wir nach Führungskräften gucken, die Leistungsträger:innen sind, die die größten Fachleute sind, die sich gut durchsetzen können und charismatisch sind. Viele von den Parametern, die wir haben, um Leute in die Führungspositionen zu bringen, sind ja gar nicht auf die Frage ausgerichtet: Seid ihr eine gute Führungskraft? Könnt ihr das eigentlich? Insofern steckt da für mich schon einer meiner Kernpunkte meiner neuen Aufgabe: Das Thema gesunde Führung. Oder gute Führung zu trainieren und das fängt in dem Grundsatz an, dass du in der Lage bist, mit Menschen zu arbeiten und dich für sie zu interessieren. Viele Manager:innen können das eben gar nicht, weil sie selbst ein eigenes Thema haben - davon würde ich ausgehen - denn jede:r hat seine bzw. ihre eigenen Themen, jede:r hat Themen, die vielleicht sogar irgendwann in den Burnout treiben. Vielleicht auch nicht - aber auf jeden Fall hat jede:r eigenen Themen. Und die spiegeln sich dann natürlich ganz gerne - wenn du z.B. als Führungskraft nicht sehr kritikfähig bist, weil du selbst einen sehr geringen Selbstwert hast, wider. Dann wird es natürlich eng, wenn du z.B. ganz offen mit Mitarbeitenden darüber reden sollst, wie du deinen Führungsstil verbessern kannst. Denn du willst das ja gar nicht hören, das tut ja weh. Insofern setzt dir deine Persönlichkeit den Rahmen und für deine Fähigkeit als Führungskraft sogar einen sehr engen Rahmen. Ich würde auch sagen, dass einer der großen Fehler von Führungskräften ist, sich nicht genau anzugucken, wer da vor mir sitzt, den bzw. die ich jetzt befördern will. Also, ich habe hier eine offene Stelle, da möchte ich jemanden hinbefördern und ich setze diese Person da hin, weil sie jetzt im Moment verfügbar oder fachlich die kompetenteste Person ist. Aber ich habe gar nicht so sehr dahin geguckt, was das für diesen Menschen heißt, ob das sogar eine Überforderung ist oder welche Persönlichkeit da sitzt. Braucht die Person das, kann sie das, ist das richtig? Da denke ich, könnte man noch viel nachholen.

Würdest du sagen, dass dieser Grundsatz - den Mensch in den Fokus zu stellen - eine grundlegende positive Eigenschaft ist, um mit dieser Thematik gut umgehen zu können?

Ja absolut. Ich meine das sage ich jetzt, obwohl ich 15 Jahre im Private Equity Umfeld gearbeitet habe. Also, für die Leute, die jetzt glauben, in meiner Firma wäre das völlig unmöglich: Ich weiß was es heißt in so einem Umfeld zu arbeiten, wo wirklich nur das Geld zählt und du jeden Tag deine Zahlen präsentieren darfst und ob du im Plan bist. Und wenn du zum Quartalsende deine Zahlen nicht erreicht hast weißt du, das wird jetzt echt nicht witzig. Also, dieses Umfeld zu haben erschwert es natürlich, sich um den Menschen zu kümmern. Aber ich sage jetzt mal, dass es trotzdem möglich ist und ich glaube, dass mir das zu einem gewissen Teil auch gelungen ist, in so einer Kultur diese Art von Führung zu praktizieren. Natürlich gibt es dann Entscheidungen von oben, die du nicht beeinflussen kannst, die du kommunizieren musst, aber das ist alles okay. Nur die Frage ist ja: Wie gehst du mit deinen Mitarbeitenden um, welche Werte transportierst du und wie interessierst du dich für die Menschen dahinter? Und das kannst du auch in so einem Umfeld tun. Insofern kann ich nur jede:n dazu ermutigen, sich der Diskussion mit dem Menschen auszusetzen.

Wie kann ich als Führungskraft am besten Warnsignale bei einem bzw. einer Mitarbeitenden ansprechen?

Ja, hier ist tatsächlich auch oft die Frage, in welcher Beziehung du zu deinen Mitarbeitenden stehst. Hast du eine vertrauensvolle Beziehung und führst du Mitarbeitergespräche, die auch ein bisschen hinter die fachlichen Ziele gehen? Dann würde ich sagen, sprich es z.B. so an: „Ich mache mir Sorgen um dich. Ich beobachte in letzter Zeit häufiger, dass du müde aussiehst, dich zurück ziehst, nicht mehr so aktiv bist und auch wirklich ziemlich erschöpft aussiehst. Was ist denn los? Ich mache mir Sorgen.” Aber nochmal, dazu musst du ja erstmal in der Lage sein, dass deine Beziehung zu deinen Mitarbeitenden auf diesem Niveau ist. Wenn du das gar nicht hast, dann wirst du auch keine Antwort bekommen. Wenn das nicht sowieso deine natürliche Verhaltensweise oder Beziehung mit deinen Mitarbeitenden ist, dass ihr über diese Dinge reden könntet, dann wird das auch in dem Moment abgeblockt werden, nach dem Motto: „Das geht dich nichts an. Das ist meins. Ich habe da ein Thema laufen, aber das ist nicht wichtig.”

Ich glaube, wenn du sowas erkennst, ist es wichtig es anzusprechen und du kannst es so ansprechen, dass du auf jeden Fall deine Wertschätzung signalisierst. Denn dein Gegenüber ist ja gerade ziemlich beschäftigt mit vielen Themen und vielleicht auch der Frage: „Mensch, wenn das hier rauskommt oder wenn ich nicht mehr so performen kann, dann fliege ich hier raus, dann verliere ich meinen Job.” All diese Dinge sind ja Ängste, die du den Mitarbeitenden auch durchaus nehmen kannst, indem du ihnen bestätigst, wie wichtig sie für das Unternehmen sind und das, wenn die Person - wenn sie ein bisschen Zeit braucht - sich die Zeit nehmen soll und du hinter ihr stehst. Also, alles, was du solchen Angestellten an Wertschätzung und an Sicherheit geben kannst, ist in dem Moment sehr hilfreich. Denn die wackeln richtig und die brauchen das Gefühl, dass hier von der Arbeit jetzt kein extra Druck kommt, der diesen Prozess, der da vielleicht gerade am Laufen ist, behindert oder stoppen würde. Letztendlich muss dir bewusst sein, dass wenn sich diese:r Angestellte nicht wieder einfangen kann oder er bzw. sie nicht wieder auf einen richtigen, guten Weg kommt, du ihn oder sie so oder so verlieren wirst. Die Person wird krank sein, wird Monate ausfallen. Als Vorgesetzte:r muss man sich einfach bewusst machen, dass wir hier nicht mit Material umgehen, sondern wir gehen hier mit Menschen um. Und so wertvoll sie jetzt in dieser Funktion oder in dem Prozess gerade für dich auf der Arbeit sind, es ändert nichts daran, dass sie auch nur Menschen sind und im schlimmsten Fall ausfallen werden. Also, wirklich sehr emphatisch sein, auf die Anderen eingehen und sensibel dafür sein, was da passiert.

Wenn du selbst diese Beziehung zu deinen Mitarbeitenden nicht hast, dass du solche Dinge ansprechen kannst, dann ist es schwierig. Ich meine, da kann man natürlich über Vertrauenspersonen gehen oder vielleicht über die Personalabteilung. Aber auch da sind die Leute natürlich sehr vorsichtig, weil das werden sie jetzt natürlich nicht jedem bzw. jeder erzählen. Aber es kann ja sein, dass du im Umfeld Leute hast, die sehr gute Beziehungen haben, die ihn bzw. sie mal darauf ansprechen sollen. Man kann es ja auch auf die fachliche Ebene heben. Sehr oft kann man natürlich z.B. sagen: „Komm, willst du mal ein Coaching machen? Ich sehe, dass du hier überfordert bist - z.B. zum Thema Selbstorganisation. Du hast zu viel auf dem Tisch, was kannst du tun um dich vielleicht besser aufzustellen, besser auch mal nein zu sagen - wollen wir nicht mal ein Coaching machen? Sowas können Vorgesetzte natürlich machen und dann vielleicht sogar bezahlen, weil das ja sonst eine recht teure Sache sein kann für so eine:n Mitarbeiter:in. Vielleicht lässt sich so unterstützen. Viele von meinen Klient:innen kommen auch über die Firma oder kriegen das bezahlt, was sie dann machen, weil die Leute merken, dass da ein Bedarf besteht. Und es geht ja auch nicht um eine Therapie. Es geht ja nicht darum, dass du als Vorgesetzte:r dahin gehst und sagst: „Mensch, du solltest mal zum Psychologen gehen.” Das ist überhaupt nicht deine Aufgabe und das kannst du auch gar nicht wissen. Du hast schon gar nicht den inhaltlichen Blick darauf, ob das jetzt eine therapeutische Ebene ist oder nicht. Dass das dann vielleicht mal so weit kommt, das kann sein, aber das ist nicht Aufgabe der Führungskraft.

Wenn du jetzt an deine eigene Burnout-Erkrankung zurückdenkst: Gibt es etwas, was du dir von deiner Führungskraft, deinen Kolleg:innen oder deinen Teammitgliedern gewünscht hättest?

Ich denke, für mich persönlich war es jetzt im Prinzip ein sehr ideales Umfeld. Mein Vorgesetzter hat ideal reagiert - als ich ihn anrufen musste, weil ich die Dienstreise mit ihm nicht antreten konnte - indem er damals sofort gesagt hat: „Oh ja, du bleibst jetzt mal ein paar Monate zu Hause, ich will dich hier vor Weihnachten nicht mehr sehen.” Solche Reaktionen sind natürlich ideal, denn sie nehmen dir als Betroffene:r direkt den Druck. Den Druck von der Arbeitsseite - dir geht es sowieso nicht gut. Also ich will jetzt nicht sagen, dass das der Schlüssel wäre, damit es dann auf einmal gut ist. Aber du bist in der Phase so verletzt, so empfindlich, du hast überhaupt keine Kraft für nichts, dass du das nicht gebrauchen kannst, wenn dir dein:e Arbeitgeber:in auch noch Druck macht, nach dem Motto: „Du hast jetzt 2 Wochen, dann bist du wieder hier.” Also, das ist alles gut gelaufen, prima auch die 6 Wochen Lohnfortzahlung. Klar, die sind gesetzlich da, aber auch auf diese Ebene war alles sauber, auch mit der Personalabteilung.

Das Einzige, was ich nicht negativ, sondern auch mal positiv herausstreichen will ist - gerade wenn du Typ Micromanager:in und Typ ‘Vertrauen kann ich nicht so gut’ bist - war die Erkenntnis: „Verdammt, der Laden läuft ja gerade so weiter, wenn ich nicht dabei bin.” Ich war 5 Monate absolut aus dem Geschäft raus und hatte schon eine immer noch eine recht operative Rolle. Ich war immer noch tief drin in den Details und trotzdem konnten meine Abteilungsleiter:innen - die dann alleine waren - die Maschine ganz hervorragend weiter betreiben. Ich würde jetzt mal sagen, so 2 bis 3 strategische Themen sind ein bisschen in die falsche Richtung gelaufen, aber auch da ist nichts schlimmes passiert, alles andere ist perfekt gelaufen. Ich glaube, das muss man sich einfach bewusst machen, dass man selbst gar nicht wichtig ist und sich selbst nicht so wichtig nimmt, sondern, dass die Dinge schon auch so ohne einen laufen. Und man dann die Impulse an der richtigen Stelle setzen kann, wenn man sich dann nicht überall um die Details kümmert, sondern sich wirklich darüber Gedanken macht, was eigentlich wirklich die Rolle der Führungskraft ist. Denn das Detail sollten ja eigentlich die Mitarbeitenden besser beherrschen als du, nur das ist ja eben - wie ich gesagt habe - eine Persönlichkeitsfrage: Kann ich das überhaupt? Kann ich Leuten vertrauen, kann ich sagen: „Das klappt schon und wenn du einen Fehler machst, stehe ich trotzdem dahinter?” Das sind Persönlichkeitsfähigkeiten.

Ab einem gewissen Punkt hast du dich entschieden, deinen angesehenen Job an den Nagel zu hängen und nochmal neu anzufangen. Wie hat es sich für dich angefühlt, deine Position aufzugeben?

Der Prozess erstmal dahin zukommen, war ja schonmal wahnsinnig schwierig. Ich glaube, dass war der entscheidende Punkt. Ich hatte in der Zeit, als ich den Burnout hatte, mit der Hypnotherapeutin gearbeitet, die sehr stark mit dem Unterbewusstsein kommunizieren kann. Für mich damals war das schon sehr, sehr spooky als Kopfmensch zu akzeptieren, aber es gab sehr eindrückliche Methoden, dir das zu zeigen, dass das funktioniert. Selbst für mich als absoluter rationaler Kopfmensch war das dann zu einem Zeitpunkt einfach und gut. Irgendwann bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass man tatsächlich das Unterbewusstsein befragen kann, was denn wirklich dein Thema ist. Und so bin ich auch in der ersten Phase gut durch diese Therapie durchgekommen. Bei der Therapeutin war ich dann irgendwann nochmal und es kristallisierte sich über die Zeit heraus, dass es mir nicht wirklich besser ging. Ich war zwar nicht wieder krank, aber es ging mir nicht so richtig gut. Auch in den 7 Jahren hatte ich immer mal wieder so Phasen, wo es nicht so gut ging. So, dass ich dann mal mit der Frage zu ihr gegangen bin: „Sag mal, kann ich den Job eigentlich noch machen?” Und damals hatte das Unterbewusstsein klar die Botschaft: Das funktioniert nicht mehr. Und da ich zu dem Zeitpunkt das Vertrauen aufgebaut hatte, dass diese Botschaften, die ich da erhalte sehr, sehr vertrauenswürdig sind, weil sie sich in der Vergangenheit auch so bewahrheitet hatten, war mir zu dem Zeitpunkt klar: Ja, das ist so. Und ich wusste es ja letztlich in mir, mein Unterbewusstsein bin ja ich: Ich kann und will diesen Job nicht mehr weiter machen. Das war der erste Schritt - also die Tatsache, überhaupt erstmal zu akzeptieren, es ist so und jetzt geht es nur noch darum, wie wir es machen. Selbst dann war es natürlich noch sehr schwierig, aber zu deiner Frage: Als ich es dann endlich geschafft hatte, vielleicht auch unterstützt durch mein neues Management, die mir sehr deutlich gezeigt haben, dass die Zeit nicht besser wird, sondern eher tougher wird und noch mehr Druck, noch mehr Zahlen, noch weniger Mensch gefragt ist. Das kam dann alles zusammen zu der Erkenntnis, dass ich eigentlich gar nicht mehr will. Und dann kam es eben zu dem Moment, dass ich zu meinem Chef gegangen bin und gesagt habe: „Ich höre auf.” Dann sind wir uns sehr schnell einig geworden und dann war ich zu Hause.

Und dann jetzt zu deiner Frage: Das war schon ein sehr, sehr komisches Gefühl, das kann ich schon sagen. Also, wenn du dich quasi dein ganzes Leben lang über Leistung, Erfolg und Beruf definierst, dann fehlt da schon ordentlich was und da ist erstmal ein ganz schönes Loch. Wenn du nicht sofort deine neue Aufgabe kennst und mit voller Energie auf die neue Aufgabe zustürmst, dann entsteht da eine Lücke. Das muss man aushalten. Für mich war klar, dass ich hier raus will und dann schauen wir mal - insofern war diese Lücke ganz bewusst gewählt und die war 6 Monate lang. Sich wirklich Zeit zu nehmen dafür, was jetzt kommt, aber das war trotzdem von meinem ganzen Selbstwert ein Rückschritt, weil mein Selbstwert bis dahin ganz stark davon abhing, dass ich diese Rolle da im Unternehmen habe. Insofern war das eine ganz schwierige Zeit. Meine neue Rolle dann auch - die dann noch nicht mal klar war - zu akzeptieren, das hat schon gewackelt. Aber die Überzeugung - und das ist glaube ich der Schlüssel in so einer Phase - wenn du dann tatsächlich die Entscheidung triffst, aufzuhören. Was ja ganz selten notwendig ist, aber bei mir war es halt so. Wenn du dann zu dem Schluss kommst „Ich höre jetzt auf”, dann ist das erstmal der wichtigste, erste Schritt. Die Überzeugung muss felsenfest sein und dann ist es eigentlich eine Frage der Zeit, das passiert dann einfach.

Würdest du sagen, dass es das wert war?

Ja, auf jeden Fall. Also ich kann es sagen, ich habe dann nochmal ein paar Beratungsprojekte - auch in diesem alten Firmenumfeld - gemacht und ich habe das dann aus einer 2- oder 3-Jahresdistanz wieder beobachtet, wie das Leben so läuft. Absolut. Für mich bin ich genau da gelandet, nur darf ich ja nicht vergessen - das ist ja meine Geschichte. Diese Geschichte hat mich an einen Punkt gebracht, der genau da so sein sollte wie es jetzt ist. Ich bin im Vorstand von großen internationalen Unternehmen gewesen, wo ich - sage ich heute mal - eigentlich gar nicht hingehörte, weil das war ich gar nicht, das war ich nie. Ich bin nur in diese Mühle reingerutscht und bin einfach die Karriereleiter hochgestolpert, weil immer alle Leute der Meinung waren: „Mensch, klasse du machst das, du kannst das.” Und so war das dann auch. Aber ich habe mich über diesen Prozess auch verloren. Ich hab dann nicht mehr darauf achten können, ob ich das überhaupt will oder kann. Wir hatten mal so ein Führungskräfteseminar - mit meinen Kolleg:innen auf meiner Ebene - wo wir dann unsere Persönlichkeitsprofile abgecheckt haben und uns auch gegenseitig das so vorgezeigt haben. Da bin ich an einigen Stellen ganz woanders gelandet als all die Anderen. Also, was so Risikobereitschaft anging, Entscheidungen unter Unsicherheit, also diese Dinge, viele andere von diesen Leadership-Persönlichkeitsstrukturen, die habe ich gar nicht und die Anderen hatten das. Also nochmal: Ich sage ja nicht, dass jede:r, der bzw. die in so eine Stelle kommt, zwangsläufig in einen Burnout läuft oder mit dem Job aufhören muss. Das war bei mir so, das war auch richtig für mich, aber viele Leute die an diesen Stellen sind da ja genau richtig. Viele aber auch nicht (lacht). Viele sind da auch nicht richtig, und das zu erkennen und zu sagen „Das ist es nicht” und zu einem Zeitpunkt den Stecker zu ziehen ist besser, als mit dem Herzinfarkt oder Schlaganfall einfach irgendwann umzufallen und das wars. Da hat mir dann mal später ein Arzt meine Blutwerte vorgelegt zu der Phase 2017, wo ich kurz vor dem Aufhören war - da ging es mir echt nicht gut - und gesagt: „Ihr Immunsystem ist auf einem Tiefpunkt. Sie sind so im Stress, dass Ihre Abwehrkräfte auf Null sind. Wenn jetzt von irgendwoher ein Angriff auf Ihr Immunsystem kommt, haben Sie keinen Widerstand.” Und ich glaube, das unterschätzen ganz viele, die in solchen Managementpositionen sind, die sagen: „Stress - das gehört dazu, das muss so sein.” Wenn du den ganzen Tag und das über Jahre Stress ausgesetzt bist - und du fühlst das ja, diese Spannung, dieses Adrenalin in dir - wenn du das über Jahre lang hast, dann ist der ganz normale physiologische Prozess, dass dein Immunsystem unten ist. Das kannste nachlesen, ist so, ganz normale Reaktion, wenn der Säbelzahntiger vor dir steht, dann hast du aus der Genetik heraus nur ein Ziel - weglaufen oder kämpfen - und dann muss nicht dein Immunsystem hoch sein, sondern all deine anderen physischen Fähigkeiten. Und damit fährt das Immunsystem - unter Umständen - dauerhaft runter und du bist sehr, sehr verwundbar. Also, die Alternative ist nicht irgendwann nur in den Burnout zu rutschen, sondern wenn es dir nicht gut geht, kannst du schwerere Erkrankungen erleiden und das hat mir meine Ärzteschaft und mal ein paar Heilpraktiker:innen sehr, sehr deutlich gemacht: Dass ich, wenn ich so weitergemacht hätte, hätte es wahrscheinlich irgendwann einen Schlag getan und dann wäre es vielleicht nicht nur ein Burnout gewesen.

Gibt es ein bestimmtes Krankheits- oder Verhaltensmuster, an dem sich sichtbar machen lässt, wie gestresst eine Person ist?

Ich würde schon sagen, dass diese klassischen Phänomene so beschrieben werden, auch bei meinen Klient:innen ganz oft vorkommen. Eben diese dauernde Spannung spüren - also, dass du ständig das Gefühl hast, unter Spannung zu sein. Wenn du morgen aufwachst, sofort dieser erste Impuls: Zack, da ist schon das erste Problem oder der Konflikt der da gerade herrscht - z.B. ein Projekt oder meine Zahlen, die gerade nicht gut sind. Mir ging das so, wenn ich aufgewacht bin - vielleicht aus einer kompletten Ruhe heraus - zack, sofort war das Thema wieder da. Also diese wahnsinnige Anspannung im Kopf, die du nicht los wirst, die Gedanken, die ständig kreisen, dass du auch in den Phasen, in denen du eigentlich Ruhe haben solltest und wolltest, dass du da gar nicht mehr zur Ruhe kommst. Auch im Urlaub war es bei mir z.B. so, dass ich das gar nicht mehr genießen konnte, weil ich permanent im Kopf wo ganz anders war. Vielleicht auch so Sachen wie Vergesslichkeit, oder man ist auch unkonzentriert und gereizt. Das ist so die Summe dieser ganzen Merkmale. Vielleicht schläfst du auch irgendwann gar nicht mehr gut, das höre ich natürlich auch oft, dass Leute berichten, dass sie einfach nicht mehr durch- oder einschlafen, dann Medikamente nehmen oder Alkohol trinken, damit es besser wird. Was übrigens nicht der Fall ist, das funktioniert nicht. Ich glaube, dieses ganze Konglomerat aus: „Mir geht es irgendwie nicht gut, aber es muss ja. Was soll ich denn sonst machen.” Das ist schon so eine Situation, die viele glaube ich kennen und da kann ich dann an dieser Stelle nur sagen: „Kümmert euch drum. Schaut mal dahinter, versucht mal herauszufinden, was das ist und warum das so ist.” Das muss ja nicht gleich ein Therapeut sein, das kann auch einfach mal ein Coaching oder eine befreundete Person sein, die ihr kennt, die das Thema schonmal irgendwo gehört hat. Einfach mal ein Gespräch anfangen. Sich wieder erkennen in Dingen, so wie du sie jetzt hier hörst, die dir vielleicht bekannt vorkommen, hörst du auch von anderen. Der Punkt ist einfach: Du musst diese Reise beginnen, du musst anfangen zu sagen: „So soll es nicht sein, so soll es nicht bleiben, ich will das Leben so wie es jetzt gerade ist, so nicht weiterführen.” Und da einfach zu starten - das kann ich dir einfach auch als Führungskraft mitgeben - wenn du das bei deinen Mitarbeitenden beobachtest, dass es denen nicht gut geht, sie zu ermutigen sich auf diesen Weg zu begeben. Den Weg begleiten kannst du als Führungskraft nicht, aber du kannst sie ermutigen. Und ich konnte das natürlich ganz besonders, weil ich diese Geschichte einfach hatte, sie zu ermutigen, hinter die Fassade zu gucken.

Du führst mit deiner Kollegin Wiebke die Plattform Manager im Burnout. Wie kann diese Plattform Führungskräften weiterhelfen?

Ja, Wiebke Regenberg ist eine Kollegin, die ich sehr früh in dieser neuen Umorientierungsphase kennenlernen durfte, die schon 2012 einen Burnout hatte, damals direkt auf diese neue Schiene gewechselt ist und schon sehr viele Jahre Erfahrung hatte. Sie hat sich auch als therapeutische Coachin ausbilden lassen. Also kombiniert sie jetzt Berufserfahrung als Managerin mit ihrer therapeutischen Ausbildung. Wir zwei haben uns da irgendwie zusammengefunden und gesagt: „Komm, wir machen was zusammen, klingt gut.” Wir haben auch mal Seminare angeboten, aber eigentlich ist unsere Hauptplattform heute unser Podcast. Wir machen alle 2 Wochen einen Podcast, zu diesen ganzen Themen, über die wir heute geredet haben. Also wenn du mal was anfangen willst, dann kannste gerne mal in diesen Podcast Manager im Burnout reinhören, da gibt es schon ein paar Impulse. Ansonsten sind wir natürlich, so wie viele andere im Markt, für solche Coachings da, führen Erstgespräche, quatschen einfach mal. Das kostet in der Regel nichts und die meisten Coaches bieten solche Erstgespräche an. Dass man sich einfach mal traut, mit jemanden zu reden, ob man dann weitermacht, ist ja dann was ganz anderes. Aber wie ich schon gesagt habe, wichtig ist, dass ihr irgendjemanden findet, mit dem ihr dieses Thema mal angehen wollt. Meine Erfahrung ist: Ich habe selbst versucht, das mit Bücherwissen im eigenen Kämmerchen hinzukriegen. Das setzt ein paar Impulse, klar, da stehen viele schlaue Sachen drin - aber letztlich ist es nicht wirklich der nächste Schritt. Es hilft einem so ein bisschen, Sensibilität zu entwickeln, so „Mensch, das kenne ich doch, das habe ich schonmal gesehen, das ist bei mir genauso.” Aber es ist wahrscheinlich nicht ausreichend, also in der Regel brauchst du da schon jemanden, der ein bisschen besser darauf geschult ist, dich weiterzubringen. Würde ich auf jeden Fall - wenn du merkst, dass du hier ganz viel wieder erkennst, von dem, was ich erzähle - würde ich diesen nächsten Schritt einfach mal machen, um zu sehen, ob das was bringt.

Was würdest du Führungskräften zum Schluss noch mitgeben wollen?

Ich glaube, dass die eine Sache, die ich wirklich - und das ist auch einer der Gründe, weswegen ich mich jetzt mit dem Thema Führungskräfte-Coaching beschäftige - wirklich wichtig finde: Dass wir als Führungskräfte unheimlich unterschätzen, dass wir eine Vorbildfunktion haben. Denn, dass wir da draußen rumlaufen, Dinge tun, so wie wir sie tun und kommunizieren quasi die Vorgabe wie unsere Mitarbeitenden sich verhalten sollen. Das ist uns oft gar nicht bewusst. Zum Beispiel: Am Wochenende schickst du eine E-Mail in deine Gruppe und sagst: „Hier, ich brauche die Zahlen so und so, aber das müsst ihr jetzt nicht am Wochenende machen.” Oder immer kommunizierst: Wir arbeiten am Wochenende nicht, schickst aber am Samstag E-Mails raus. Die Worte sagen „Ihr müsst nichts machen”, aber die Tatsache, dass du es getan hast, heißt für alle Mitarbeitenden in deinem Team, dass die Erwartungshaltung ist - und wahrscheinlich ist sie das sogar - dass sie doch antworten. Und das tun sie, sie antworten am Wochenende und du sagst: „Hier, pass aber ein bisschen auf dich auf.“ Aber selbst passt du überhaupt nicht auf dich auf, weil du morgens der bzw. die Erste und abends der bzw. die Letzte im Büro bist und wirklich keine Vorbildfunktion im Selbstmanagement darlegst. Insofern kannst du immer noch sagen, „Das ist okay und ich will das Leben so, das ist prima ich kann das, ich werde nicht krank”, aber mach dir mal bewusst, was du auf deine Teammitglieder ausstrahlst. Mit diesem Leben und mit dieser Vorgabe bist du das falsche Vorbild und wenn du das nicht änderst, werden die Leute in deiner Abteilung oder was auch immer du führst, irgendwann vielleicht in so einen Burnout rauschen und du glaubst, das hat nichts mit dir zu tun. Es ist sicherlich auch nur ein Teil davon, aber du hast eine ganz wichtige Verantwortung als Vorgesetze:r und der sollte man sich stellen. Und das heißt für mich auch, wenn man ein:e gute:r Vorgesetze:r sein will, sollte man sich mit sich selbst beschäftigen können. Wenn nicht zu deinem eigenen Schutz, dann zumindest für den Schutz deiner Mitarbeitenden.

Das waren einige Erfahrungen und Einblicke zum Thema Burnout und (gesunder) Führung. Solltest du diese Symptome bei dir selbst wieder erkennen, wende dich gerne an die hier hinterlegten Ansprechpersonen oder informiere dich weitergehend zu diesem Thema in der Mediathek. Solltest du dich um eines deiner Teammitglieder sorgen, unterstützen dich die hinterlegten Ansprechpersonen gerne bei der Sondierung möglicher weitergehender Maßnahmen.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
Kassel

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