Wechseljahre: Zwischen Stigma & Akzeptanz

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Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass Wechseljahre(-sbeschwerden) bei der Arbeit nicht thematisiert werden? Oder dass es als „Privatsache“ bzw. Randthema abgetan wird, obwohl es so viele betrifft? Für die meisten Menschen in den Wechseljahren ist das Realität. Trotz Karrierehöhepunkten und jahrzehntelanger Erfahrung empfinden viele Betroffene die Wechseljahre als Hindernis im Job. Aber warum ist das so? In diesem Beitrag erhältst du einen Überblick über aktuelle Herausforderungen und Antworten auf die Frage, warum die Wechseljahre auch im Beruf nicht ignoriert, sondern enttabuisiert werden sollten.
Hinweis: Wechseljahre werden oft ausschließlich mit Frauen in Verbindung gebracht. Doch nicht alle Frauen erleben die Wechseljahre (gleich), und nicht alle, die die Wechseljahre durchlaufen, identifizieren sich als Frauen. Auch trans-, non-binäre oder geschlechtsneutrale Personen können die Wechseljahre erleben. In diesem Beitrag wird deshalb der Begriff Menschen in den Wechseljahren oder Betroffene verwendet, um alle Personen mit Wechseljahrserfahrungen einzubeziehen. An manchen Stellen werden Frauen geschlechtsspezifisch angesprochen. Dieser Beitrag richtet sich grundsätzlich an alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Geschlechtsidentität und davon, ob sie die Wechseljahre erleben oder nicht.

Wechseljahre verstehen

In Deutschland befinden sich rund 9 Millionen Personen gleichzeitig in den Wechseljahren – eine beeindruckende Zahl, die zeigt, wie viele Menschen diese Lebensphase durchlaufen und welche gesellschaftliche Bedeutung sie hat. Frauen zwischen 45 und 55 steuern oft auf den Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn zu – sie sind erfahren, kompetent und streben nach Führungspositionen. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Wusstest du, dass jede vierte Frau in diesem Alter tatsächlich in Erwägung zieht, ihren Job zu kündigen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, Beförderungen abzulehnen oder in eine weniger anspruchsvolle Position zu wechseln? Diese Entscheidungen hängen sehr häufig mit den Veränderungen zusammen, die der Körper in den Wechseljahren durchläuft. Die hormonelle Umstellung während dieser Phase dauert durchschnittlich 10 bis 15 Jahre und bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Schwankende Östrogen- und Progesteronspiegel wirken sich auf den Körper sowie die Psyche aus und führen u. a. zu Symptomen wie:
  • Hitzewallungen und plötzliche Schweißausbrüche
  • Schlafstörungen, die oft zu anhaltendem Schlafmangel führen
  • Konzentrationsschwierigkeiten und Brain Fog
  • körperliche und geistige Erschöpfung
  • Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit
  • depressive Verstimmungen
  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Herzrasen oder ein Gefühl von innerer Unruhe
Die Symptome variieren in ihrer Ausprägung, aber sie können die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – gerade der Berufsalltag wird für viele Betroffene dadurch zu einer echten Belastungsprobe.
Besonders schwierig wird es, wenn Menschen in den Wechseljahren das Gefühl haben, ihre Beschwerden am Arbeitsplatz verstecken zu müssen. Denn zu versuchen, Symptome wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen oder erhöhte Reizbarkeit zu verbergen, erhöht die bereits bestehenden Herausforderungen nur umso mehr. Ein plötzlicher Schweißausbruch während einer wichtigen Präsentation oder eine ungewohnt gereizte Reaktion in einem Meeting können nicht nur unangenehm sein, sondern auch den Druck verstärken, „perfekt“ wirken zu müssen. Aus Angst vor Stigmatisierung oder um die Karriere nicht zu gefährden, fühlen sich viele Betroffene gezwungen, ihre Symptome zu unterdrücken, da Wechseljahresbeschwerden häufig als „Privatsache“ angesehen werden. Das Ergebnis? Ein Tabu, das dazu zwingt, diese schwierige Phase allein zu bewältigen, anstatt auf Unterstützung im Arbeitsumfeld zählen zu können.
Die Wechseljahre stellen für viele Betroffene eine äußerst belastende Lebensphase dar, die sowohl körperliche als auch emotionale Herausforderungen mit sich bringt. Besonders besorgniserregend ist die statistisch erhöhte Suizidrate in dieser Zeit. Studien zeigen, dass Frauen im Alter von 45 bis 64 Jahren – einem typischen Alter für den Beginn und den symptomatischen Höhepunkt der Wechseljahre – die höchsten Suizidraten aufweisen. Dies gilt sowohl für Daten aus den USA (CDC) aus dem Jahr 2020 als auch aus dem Vereinigten Königreich (Office for National Statistics) und Australien. Die weibliche Altersgruppe von 45 bis 49 Jahren weist in diesen Ländern die höchste altersspezifische Suizidrate auf. Diese Zahlen verdeutlichen, wie intensiv diese Phase sein kann und wie wichtig frühzeitige Unterstützung und Aufklärung sind, um psychische Belastungen zu erkennen und das Suizidrisiko zu senken.

Herausforderungen erkennen

In vielen Unternehmen bleiben die Wechseljahre ein Tabuthema. Viele Menschen in den Wechseljahren fürchten, als „zu emotional“ oder „instabil“ abgestempelt zu werden, wenn sie offen über ihre Beschwerden sprechen. Die erste deutschlandweite Befragung zu Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz, durchgeführt von Prof. Dr. Andrea Rumler (2023), zeigt, wie gravierend die Auswirkungen sein können:
  • 10 Prozent der Befragten im Alter von 28 bis 67 Jahren erwägen aufgrund der Symptome einen früheren Renteneintritt oder sind bereits beruflich kürzergetreten.
  • Bei Frauen über 55 Jahren steigt dieser Anteil sogar auf 19 Prozent.
  • Fast ein Viertel der Betroffenen reduzierte ihre Arbeitsstunden.
  • Nahezu ein Drittel meldete sich krank oder nahm unbezahlten Urlaub, um den Beschwerden gerecht zu werden.
Die Wechseljahre beeinflussen dabei nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich, sondern auch ihre Arbeitsfähigkeit. Wechseljahresbeschwerden können die Leistung mindern und führen, wenn sie ignoriert werden, oft zu Burnout und zusätzlichen psychischen Belastungen. Für Unternehmen, die in Zeiten des Fachkräftemangels auf die Erfahrung und das Wissen dieser Personen angewiesen sind, stellt dies eine ernste Herausforderung dar, die nicht länger ignoriert werden sollte.
Gleichzeitig bieten die Wechseljahre aber auch eine Chance: Betroffene, die in dieser Lebensphase Unterstützung und Wertschätzung erfahren, können gestärkt und motiviert daraus hervorgehen. Durch einen offenen Umgang und gezielte Maßnahmen können Unternehmen Menschen in den Wechseljahren ermutigen, ihr Potenzial neu zu entdecken und langfristig im Beruf zu bleiben. So wird aus der Herausforderung eine wertvolle Chance – sowohl für Betroffene als auch für das Unternehmen, das von deren Erfahrung und Engagement profitieren kann.

Tabus brechen & Offenheit schaffen

Während das Thema Wechseljahre in der deutschen Arbeitswelt bislang oft verschwiegen wird, zeigt Großbritannien einen offenen und unterstützenden Ansatz. Dort haben namhafte Unternehmen wie Tesco, BBC und Channel 4 den sogenannten Menopause Pledge unterzeichnet und sich damit verpflichtet, Menschen in den Wechseljahren aktiv zu unterstützen. Der Verband der Personalfachleute CIPD (Chartered Institute of Personnel and Development) hat das Thema sogar in 30 Prozent der britischen Unternehmen fest etabliert – ein wichtiger Schritt hin zu offener Kommunikation und gezielter Unterstützung. Die Bank of Ireland geht noch weiter und bietet ihren Mitarbeitenden, die unter Wechseljahresbeschwerden leiden, bezahlte Krankentage an. Unternehmen können sich außerdem als „menopause friendly“ („wechseljahresgerecht”) zertifizieren lassen, was ihre Bemühungen sichtbar macht und ein Zeichen für Engagement und Offenheit setzt.
Diese Maßnahmen verdeutlichen, dass Unternehmen von einem offenen Umgang mit den Wechseljahren profitieren können. Betroffene fühlen sich wertgeschätzt und bleiben dem Unternehmen länger erhalten, statt sich aufgrund mangelnder Rücksichtnahme nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen. Großbritannien zeigt, wie eine wertschätzende Haltung gegenüber den Wechseljahren das Arbeitsklima positiv beeinflussen und langfristig zum Unternehmenserfolg beitragen kann. Ansätze wie die „Menopause Guidance“ des University College London, die praktische Richtlinien für Führungskräfte und Betroffene umfasst, bieten Vorbilder dafür, wie Aufklärung und Rücksichtnahme im Arbeitsalltag gelebt werden können.

Unterstützung bieten

Auch in Deutschland gibt es erste Initiativen, die die Wechseljahre am Arbeitsplatz thematisieren. Das Projekt MenoSupport unter der Leitung von Prof. Dr. Rumler an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zeigt, wie wichtig es ist, betriebliche Gesundheitsförderung auf die Wechseljahre auszurichten. Die Studie macht deutlich, dass Menschen in den Wechseljahren durch unterstützende Maßnahmen motivierter und gesünder arbeiten können. Um jedoch die Wechseljahre als natürliche Lebensphase anzuerkennen und Betroffene gezielt zu unterstützen, ist mehr Engagement erforderlich. Ein offener Dialog, flexible Arbeitszeiten, Rückzugsmöglichkeiten am Arbeitsplatz und die Option, bei Bedarf im Homeoffice zu arbeiten, sind erste Schritte in die richtige Richtung.

In diesem Beitrag hast du erfahren, warum die Wechseljahre am Arbeitsplatz kein Tabuthema sein sollten und wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden in dieser Lebensphase unterstützen können. Das Thema Wechseljahre im Job zu integrieren, ist ein wichtiger Schritt für eine moderne und inklusive Arbeitswelt, die die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden ernst nimmt. Wenn dich dieses Thema interessiert, findest du hier in der Mediathek weitere Beiträge und Leitfäden, die dir zeigen, wie Unternehmen und Beschäftigte den Wechseljahren offen und lösungsorientiert begegnen können – für ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle wertgeschätzt und unterstützt fühlen.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
Kassel

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